Frühlingswanderung mit dem Ortschronisten

Bei wieder mal sonnigem Wetter trafen sich geschichtsinteressierte Wanderfreunde auf dem Bahnhofsvorplatz zur nunmehr 4. Frühlingswanderung. Ziel der Wanderung war das Kennenlernen von Geschichte und Bedeutung der Eisenbahnstrecke, die einerseits unser Territorium durchschneidet, andererseits unser Leben bisher beeinflusst hat, wie kaum ein anderes Unternehmen sonst. Ortschronist Rolf Langhof hatte sich dafür schon rechtzeitig die Unterstützung der Eisenbahnfreunde Westsachsen und des Mitautors des Buches „Hauptbahn Borsdorf-Coswig“ gesichert. In einjähriger Vorbereitungszeit wurde Material gesammelt und aufbereitet, wurden Archive gesichtet und Fakten gesammelt.
Für die Eisenbahnfreunde übernahm Reinfried Polter die Planung und Organisation. Volkmar Wunderlich, durch seine Autorentätigkeit gerade mit dem hiesigen Teil der Bahnstrecke bestens vertraut, half mit Material und detaillierten Kenntnissen.
Der Wanderplan entsprach, der Sache angemessen, einem Fahrplan. Mit 9.01 Uhr war die Startzeit angegeben. Und, wie um Polters einführende Worte dick zu unterstreichen, fuhr in diesem Augenblick der von einer Dampflok gezogene Sonderzug zum Dampflokfest nach Nossen vorbei.
Ronny Junker, Wirt des Sportlerheims, hatte die gastronomische Betreuung übernommen. Nachdem sich alle an seinem Stand noch einmal gelabt und für die Wanderung versorgt hatten, ging es zur ersten Etappe, dem Bahnhofsgebäude.
Gruppenweise durften die Wanderer in den Dienstraum des Fahrdienstleiters, um sich vom Wanderbegleiter Polter die Handhabung von Schaltern und Hebeln erklären zu lassen. Sie bekamen so ein Verständnis für den Eisenbahnverkehr und das Zusammenspiel der einzelnen Einrichtungen und warum man auch mal länger an der Schranke stehen muss. Sicherheit wird bei der Bahn ganz groß geschrieben. Als die Eisenbahnstrecke in Betrieb genommen wurde, gab es vier Beschäftigte, in Hochzeiten waren es um die 60, heute ist es nur noch einer. Aber auch den wird es nicht lange mehr geben. Dann werden die Abläufe elektronisch geregelt und von zetraler Stelle überwacht.
Die in früheren Tagen eingerichtete „Badestube“, der abgerissene Güterboden, die ehemalige Verladerampe sowie die ebenfalls nur noch für Eingeweihte sichtbare Waggonwaage waren die weiteren Stationen. Polter und Wunderlich glänzten mit Fachwissen und Anektdoten.
Am neu errichteten Container für die elektronische Steuerung des Eisenbahnverkehrs vorbei erreichten die Wanderer das Stellwerk an der Grethener Straße. Mit seiner Bezeichnung Go für Großsteinberg Ost gehört dieses Wärterstellwerk neben dem Empfangsgebäude mit seinem angebauten Befehlsstellwerk G für Großsteinberg zu den zwei wichtigsten Einrichtungen überhaupt. Auch hier konnten die Exkursionsteilnehmer die Diensträume in Gruppen besichtigen – eine einmalige Gelegenheit. Während Reinfried Polter die Führung im Stellwerk übernahm, hatte Volkmar Wunderlich zum nebenan stehenden ehemaligen Bahnwärterhaus jede Menge Wissenswertes zu berichten.
Über das Gelände des früheren ACZ führte der Weg entlang der Bahnstrecke Richtung Grimma. Der kürzlich verlegte Kabelkanal mit seiner Betonabdeckung erwies sich als brauchbarer Fußweg. Im Gänsemarsch bewegte sich die Gruppe vorbei an Durchlässen für Wasserläufe und die Wanderer erfuhren, dass die Senken am Naturfreundehaus von einer einstmaligen bahneigenen Sandgrube mit eigenem Gleis herrühren. So erreichte man das nächste Ziel, das frühere Bahnwärterhaus Po 16 am Bahnübergang der Straße von Grethen nach Beiersdorf. Conny Polter, die auch als erste Hilfe für Notfälle bereit stand, hatte mit ihrem Kleinbus Posten bezogen und bot Getränke an. Ein mancher war froh, einen Schluck trinken zu können. Nachdem die Wanderer erfuhren, dass das heutige Naturfreundehaus auch einmal Bildungsstätte der Eisenbahner war, erreichten sie den Steinbruch mit seinem Anschlussgleis. Am Beginn der heute als „Hühnerkoppel“ bekannten früheren Pferdekoppel von Hans Herrmann sieht man die Überreste einer Feldbahn, die bis in die 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts Gestein aus dem Klingaer Bruch mit Kipploren zum Bahnhof Großsteinberg beförderte. Leider gibt es zu diesem Thema nur sehr wenig Material. Durch die Große Gasse und dann wieder an der Bahnlinie entlang führte der Weg zum Sportlerheim. Hier hatte Ronny Junker für Sitzplätze im Freien gesorgt. Die Wanderer konnte ausruhen und ihren Hunger mit Gebruzeltem vom Grill stillen.
Jetzt war auch die Gelegenheit gekommen, ein Geschenk an alle Wanderteilnehmer zu verteilen, auf dass die beiden Wanderbegleiter bereits mehrfach hingewiesen hatten.
Eine 28 Seiten umfassende Broschüre, die in Wort und Bild alles beinhaltet, was in einjähriger Arbeit zusammengetragen werden konnte, überraschte und erfreute die Geschichts- und Heimatfreunde zugleich. Die Eisenbahnfreunde Westsachsen haben die dafür anfallenden Kosten übernommen und für den heutigen Anlass gesponsert.
Günter Pfarr nahm das zum Anlass, den Eisenbahnfreunden und natürlich ganz speziell den beiden Planern und Organisatoren, die bisher als bestens informierte, aber auch charmante Wegbegleiter fungierten, im Namen des Heimatvereins Großsteinberg herzlich zu danken. Christa Blume, stellvertretende Vorsitzende, überreichte dazu ein kleines Präsent.
Nach dem Aufenthalt zur Mittagspause brachen die Wanderfreunde zur zweiten Etappe auf. Sie führte über den Mittelweg, über die Straßenüberführung bei HABA-Beton den Weg Richtung Kegelbahn / Sportplatz zurück zum Sportlerheim. Informationen gab es am seinerzeitigen Posten 12 am Bahnübergang direkt am Sportplatz und natürlich am ehemaligen Posten 13, dem Bahnwärterhaus an der Pomßener Straße, das im Zuge der Straßenbauarbeiten abgerissen wurde. Natürlich fanden gerade hier auch das frühere Anschlussgleis zum heutigen Großsteinberger See und die Verwendung des daraus gewonnenen Kieses zum Bau des Völkerschlachtdenkmals und des Leipziger Hauptbahnhofes Erwähnung.
Am Sportlerheim angekommen, gab es bei Ronny Junker Gelegenheit, bei Kaffee und selbst gebackenem Kuchen das „Unternehmen Großsteinberger Bahngeschichte“ ausklingen zu lassen. Die am Morgen noch mehr als 40 Personen strake Truppe war bis zum Nachmittag kaum geschrumpft. Die Teilnehmer an der Wanderung waren sich, soweit das Gespräche ergaben, sicher, einen schönen Tag erlebt zu haben. Sie äußerten sich als mit dem, was ihnen geboten wurde, sehr zufrieden. Und manches Wort des Dankes an die Organisatoren war zu vernehmen. Bilder von der Wanderung finden Sie unter „Bilder“ (Schaltfläche links). Einige davon hat uns Christa Blume zur Verfügung gestellt – vielen Dank.

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