Dorfgeschichten von Helfried Mengel

Der Wirt vom Alten Gasthof- die Rache eines Hundes

Gastwirte sind oft Originale. Albert Wiesner vom Alten Gasthof war ein solches. Der Alte Gasthof am Fuße der Post-, heute Bergstraße, kann auf eine Geschichte bis zum 30-jährigen Krieg zurückblicken.
In dieser urgemütlichen Kneipe befand sich ein kleines Gastzimmer mit einem anschließenden schmalen Vereinszimmer. Im Korridor stand auf einem Sockel eine große bunte Blechhenne. Steckte man einen Groschen rein, gackerte sie und schon schob sie ein Blechei heraus – meist mit Pfefferminzplätzchen – gewissermaßen ein Überraschungsei.

Hier traf man sich zum Skat. Da gab es Bowle, Masken-Bockbier-Vereinsfeste und auch die Jäger fühlten sich hier wohl. Da spielte Thieme Gustav auf seiner Geige die Schlager der zwanziger Jahre, vom „Weißen Flieder“ bis zum „Käse, der zum Bahnhof gerollt wurde“. Und es kam Stimmung auf, wenn Bramschreiber Franz und Breitenborn Emil ihren „Zerrwanst“ strapazierten.

Albert nahm natürlich auch gern einen zur Brust, war aber niemals sein bester Gast. Dafür sorgte Else, die Wirtin.
Neben dem Gasthof betrieb Albert noch eine kleine Landwirtschaft und einen Kohlehandel.
Zu diesem Zwecke spannte er seine Rösser vor den großen Kastenwagen und fuhr zur Laderampe am Güterbahnhof in der Bahnhofstraße. Dort musste er die Kohle aus einem Waggon heraus laden, dann zu den Kunden fahren und wieder abladen – eine Schinderei aus heutiger Sicht.
Doch welcher Kutscher knallt nicht gern mit der Peitsche, wenn er oben auf dem Bock sitzt. Albert machte dies besonderen Spaß. Vor allem dann, wenn er an Willi”s Grundstück vorbeifuhr und damit den Foxterrier „Prinz“ so in Aufregung versetzte, dass er wie ein Irrer laut bellend am Zaun hin und her jagte. Das geschah dann so 10 bis 15 mal am Tag. Deshalb wurde Prinz immer eingesperrt, besonders wenn Willis Familie selbst Kohlen erhielt.
Doch eines Tages, Albert brachte unangekündigt die Kohlenrechnung zu Willi – sah „Prinz“ den Tag der Rache gekommen und zerfetzte dem Kohlenhändler beim Verlassen des Grundstückes eine seiner besten Hosen. Willi zückte schon die Brieftasche, um die Hose zu bezahlen.
„Mistköder elendicher“ entfuhr es Albert. „Abber lasse ma Willi, ins Been hadder ja nich gebissn un ich weeß och warum“.
Ob seine Else die Hose wieder instandsetzen konnte wurde nie bekannt. Seitdem knallte Albert vor Willi”s Haus nicht mehr mit seiner Peitsche.