Ein Leben für den Sport hat sich vollendet

Am 30. November 2010 verstarb im Alter von 90 Jahren Walter Drieschner, dessen Name in Großsteinberg und der gesamten Region untrennbar mit dem Sport verbunden ist.

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W. Drieschner – 2005

Walter Drieschner wurde am 1. Oktober 1920 in Oels in Schlesien geboren. Hier wuchs er auf. Schon als Kind und junger Bursche verbrachte er seine Freizeit mit Sport. Er war nicht auf eine Sportart allein fixiert, doch Ball-, insbesondere Fußballspiele mochte er am liebsten. Nach Beendigung seiner Schulzeit begann Walter eine Schlosserlehre bei der damaligen Deutschen Reichsbahn. Doch dann zerstörte der schlimmste aller Kriege, der II. Weltrieg, alle Zukunftspläne. Drieschner wurde Soldat und erlebte sechs schwere Jahre bei einer Fliegereinheit. Trotz eines Absturzes überlebte er und blieb gesund. In Norddeutschland fand er eine Möglichkeit, alles hinter sich zu lassen. Zu Fuß machte er sich auf den Weg nach Hause. Auf der Suche nach seinen Eltern blieb er schließlich in Großsteinberg hängen. Hier fand er Arbeit in seinem erlernten Beruf. Hier lernte er dann auch seine große Liebe, seine Marga, kennen. Damit wurde Großsteinberg seine zweite Heimat. Er gründete mit ihr zusammen eine Familie und wurde stolzer Vater zweier Kinder, seiner Tochter Karin und seines Sohnes Klaus.

Was ihm fehlte, war der Sport. Er sah sich um und fand einige Gleichgesinnte, mit denen er im Herbst 1945 eine Fußballmannschaft gründete.

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Gegen einen Sack Kartoffeln konnte ein Ball eingetauscht werden, schwarze Turnhosen und ein weißes Unterhemd genügten als erste Mannschaftstrikots.

Aus der Fußballmanschaft entwickelte sich eine Sportgemeinschaft, die Betriebssportgemeinschaft (BSG) Traktor Großsteinberg. Als Trägerbetrieb fungierte die inzwischen gegründete Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) Bundschuh. Ab diesem Zeitpunkt ging es mit Walters Vision stetig bergauf, ein Dorf so für den Sport zu begeistern, dass sich eine große Mehrheit vom Kleinkind bis zum Ruheständler auf verschiedenste Weise sportlich betätigte.

Drieschner erlangte inzwischen durch Lehrgänge und Fernstudium das Staatsexamen als Sportlehrer. In der Grundschule Großsteinberg fand er eine Anstellung. Hier blieb er 40 Jahre bis zu seinem Eintritt in den wohlverdienten Ruhestand.

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Im Sportunterricht

Im Laufe dieser Zeit wurden folgende Sportstätten geschaffen:

– Umbau einer Maschinenhalle zur Turnhalle

– Rodelbahnen und eine kleine Sprungschanze  

– Sportstadion

– Sportlerheim  

-Spritzeisbahn

-Doppelkegelbahn 

-2. Fußballfeld 

– Flutlichtanlage und weitere Einrichtungen für den Sport.

Beinahe 100.000 freiwillige Arbeitsstunden wurden dafür von der Bevölkerung geleistet. Der Gesamwert der geschaffenen Werte betrug etwa 3 Millionen DDR-Mark. Walter Drieschner war sowohl der Kopf, als auch der Motor des Geschehens. Er sagte einmal: „Ich war zweimal verheiratet, einmal mit meiner Frau und einmal mit dem Sport.“ Nur gut, dass Marga ebenfalls Sport trieb. Ihre Leidenschaft war das Kegeln.

Großsteinberg wurde in den Medien bekannt. Immer wieder hörte oder las man den Begriff „Sportdorf“. 1984 wurde Großsteinberg in einer Fernsehsendung als zweitsportlichstes Dorf der DDR ausgezeichnet. 732 Einwohner hatten sich als Mitglieder bei der BSG Traktor eingeschrieben. Das waren über 60%. In 12 Sektionen sowie in 20 Schul-und Kinderarbeitsgemeinschaften konnte man sich volkssportlich betätigen. Als BSG-Leiter, Walter Drieschner war 45 Jahre Vorsitzender der Sportgemeinschaft, kam es ihm nie darauf an, Sportler auf Spitzenleistungen zu trimmen. Er wollte vielmehr, dass sich möglichst alle betätigten, soweit es ihre körperliche und gesundheitliche Verfassung gestattete. Das hat er in brillanter Weise erreicht – mit unermüdlichem Einsatz, mit Zielstrebigkeit, mit Geschick und mit seiner nie ermüdenden Liebe zum Sport.

Die sportliche Entwicklung dieser Jahre wurde in vier Bildbänden, zwei vollgeschrieben Gästebüchern, einer Videokassette und einer Broschüre festgehalten. Diese Schätze übergab er am 17. Juni 2008 dem Archiv der Großsteinberger Ortschronik.

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Chronikübergabe, v. l. Bürgermeister Jürgen Kretschel,
Walter Drieschner, Ortschronist Rolf Langhof Juni 2008

Von 1945 bis 1989 besuchten die BSG rund 400 Delegationen aus über 35 Ländern und 4 Erdteilen, um sich hier über die Arbeit der Gemeinschaft zu informieren.  Walter Drieschner erhielt für seine Leistungen hohe sportliche Auszeichnungen, den Titel „Oberlehrer“ und von der Gemeinde Parthenstein wurde er zum Ehrenbürger erhoben. Er war bisher der einzige, der diese Auszeichnung erhielt. 

Auf einen Vorschlag aus der Bürgerschaft bekam er am 21. Mai 2007 das „Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland am Bande, verliehen von Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler, überreicht von Staatsminister und Chef der Sächsischen Staatskanzlei, Hermann Winkler.

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Ordensübergabe – Minister Hermann Winkler, Walter Drieschner Mai 2007

 

 Im Juli des Jahres 2007 traf Drieschner ein harter Schlag, den er nie mehr richtig verkraftet konnte. Nach längerer Krankheit verstarb seine Ehefrau Marga. Und mit ihr ging auch ein Stück Lebenskraft von Walter. Nun konzentrierte er sich mit aller verbliebenen Kraft auf seinen 90. Geburtstag. Auch hier erfuhr er wieder viel, viel Zuneigung, Respekt und Anerkennung.

Doch damit war er mit seiner Kraft am Ende. Am 30. November 2010 verließen ihn seine bis dahin so unermüdlichen Lebensgeister.

Ein Wort aus Minister Winklers Laudatio: „Eine solche außerordentliche Lebensleistung im ehrenamtlichen Engagement für den Sport, wie sie von Ihnen, sehr geehrter Herr Drieschner, erbracht worden ist, ist einmalig.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Wir werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren

 

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