Der Großsteinberger See

Am 1. Oktober 1915 wurde der Leipziger Hauptbahnhof eingeweiht. Mit 26 Bahnsteigen und 5 Außenbahnsteigen wurde er einer der größten der Welt. 
Um ein solches Bauwerk zu errichten, wurde Kies in riesigen Mengen benötigt. Baumeister Seifert aus Naunhof hatte darauf aufmerksam gemacht, dass in der Großsteinberger Flur unterirdische Kieslager von ausgezeichneter Qualität vorhanden seien. Dazu ließe sich mit relativ geringen Mitteln ein Anschlussgleis zur nur knapp einen Kilometer entfernt verlaufenden Bahnstrecke Leipzig-Döbeln verlegen. Auf alten Karten ist dieses Gleis noch verzeichnet. Später wurde es wieder abgerissen.

1903 begann der Aufschluss der Kiesgrube. 
Die Firma Heinrich Brauns aus Frohse übernahm den Kiesabbau. Mit einem Zweietagenbagger wurde der Kies gefördert, sortiert und gewaschen und danach in bereitstehende Waggons verladen. 
In den Jahren 1906 bis 1908 fand der größte Teil des Abbaus statt. In dieser Zeit waren bis zu 300 Mann in Tag- und Nachtschichten beschäftigt. Eine Unterkunft und Kantine befand sich auf dem heutigen Gelände der Verwaltungsschule.Täglich wurden 30 – 40 Züge in einer Größe von 35 Waggons beladen und nach Leipzig transportiert.

Helfried Mengel, ehemaliger Ortschronist, schreibt in einem Artikel u.a.: „Die Bahnwärter Rudolph und Weber bedienen die Weichen. Wenn ein Zug die Straße kreuzte, wurden die wenigen Fuhrwerke, die damals entlang kamen, mit einem Flaggensignal aufgehalten. Oswin Vogel und Karl Aulich, die als Lokomotivführer arbeiteten, erinnerten sich, dass einmal das große Transportband riss und in die bereits zehn Meter tiefe, mit Grundwasser gefüllte Grube stürzte. Taucher aus Hamburg mussten das schwere Band herausheben.“           

Nach der Fertigstellung des Hauptbahnhofes stand die Kiesgrube voll Wasser und nahm eine Fläche von etwa 12 ha ein. Der Großsteinberger See war entstanden. Eine Gesellschaft verkaufte die umliegenden Parzellen. Vorwiegend Leipziger Unternehmer, Ärzte, Verleger, Juristen und Apotheker siedelten sich an und ließen Villen bauen(Bleichert, Schaub, Eulitz, Mansfeld, Herrmann, Brandstätter, Dürrschmidt u. a.).

Es entstanden insgesamt 37 Landhäuser. Sie erhielten Namen wie „Sonneneck“, „Seestern“, „Maria Seerast“ oder „Seeidyll Helvetia“. Eine Luftaufnahme von 1920 belegt das sehr eindrucksvoll.
Gärten wurden angelegt, Büsche gepflanzt. Dafür sorgte der Gärtner Wilhelm Krause. Gärtner Gustav Muche schuf für die Firma Strumpf-Eulitz eine Privatgärtnerei mit einem herrlichen Park. Später wurde aus dieser Gärtnerei eine Erwerbsgärtnerei mit Gemüse, Blumen und Zierpflanzen.         
Nach 1945 änderten sich die Besitzverhältnisse. Der verbliebene Strand wurde für die Fußballer des FC Lok Leipzig als Trainingslager zugebaut. Damit hatten die Großsteinberger keinen Zugang mehr.

Die ehemalige Kantine nahm 1946 über 70 Waisenkinder auf. 1947 verlegte man sie nach Kötteritzsch.
Verschiedene Umsiedler konnten untergebracht werden. Für zum Teil elternlose Kinder wurde ein Kinderheim eingerichtet (bis 1947). Nach vielen Um- und Neubeuten richtete der Rat des Bezirkes hier die Verwaltungsschule ein, sie wurde auch für Lehrgänge, Wochenendschulungen und Tagungen genutzt, aber auch als Ferienlager für Kinder und während der Messe als Motel.

Nach der Revolution 1989 bezog hier die Finanzschule Sachsen die Räume. Sie wurde 1996 geschlossen; seitdem steht das Gebäude leer.

Auf der Westseite des Sees erhebt sich der Bau des ehemaligen Gästehauses des FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund). Heute dient es als Hotel mit dem Namen „Haus am See“. Das übrige Gelände nahmen vorwiegend volkseigene Betriebe in Besitz, bauten es zu Naherholungszwecken oder für Kinderferienlager u. a. aus.
Auch das MfS (Ministerium für Staatssicherheit) siedelte sich in zwei Grundstücken am See an.

Da der Wasserspiegel des Sees durch die Absenkung im Braunkohlentagebau immer weiter sank und um auch das Grundwasseraufkommen im Naunhofer Gebiet zu erhöhen, wurde durch ein Pumpwerk an der Muldenvereinigung bei Sermuth Wasser aus der Freiberger Mulde hierher gepumpt. Dadurch stieg der Wasserspiegel wieder um zwei Meter. Die Zulaufgräben sind inzwischen verfüllt. Durch die Flutung der Tagebaue macht sich dieses aufwändige Verfahren überflüssig.